Kloster

Wenn man das Gelände von Kloster Posa zum ersten Mal  betritt, denkt man: was für ein wunderschöner Ort. Dabei besticht er bei meinem Besuch auch mit einer ganz angenehmen Ruhe, die von den Gebäuden, welche um den Platz herum erbaut sind, auszugehen scheint. Vom Bahnhof fährt man nur ein Stück Richtung Osten, überquert die Weiße Elster, den Fluss, welcher sich dem Besucher sogleich beim Eintritt in die Stadt offenbart, und begibt sich einen kleinen Hügel hinauf – schon steht man direkt vor den Toren des Klosters.

Kreative finden sich

Hier ist seit Ende 2013 der gemeinnützige Verein ‚Kultur- und Bildungsstätte Kloster Posa‘ ansässig. Drei gebürtige Zeitzer taten sich mit weiteren Interessierten zusammen und entwickelten ein Nutzungskonzept. Seitdem finden hier immer wieder Veranstaltungen, Mitmachangebote und Workshops statt, etwa 50 sind es pro Jahr. Dabei möchte der Verein Verschiedenes erreichen. Neben seiner Funktion als Netzwerkknoten zwischen Jung und Alt, zwischen außerhalb und innerhalb der Stadt, geht es auch besonders um die Belebung alter und verlassener Gebäude, die man überall in Zeitz antrifft. Einer der Initiatoren ist der bildende Künstler Philipp Baumgarten. Wie er auf das Gelände aufmerksam wurde, erzählt er im Beitrag:

Das Areal war 400 Jahre ein Kloster, seit der Aufhebung des Klosterstatus nach der Reformation versuchte die Stadt das Gelände zu erwerben. Erst Ende des 20. Jahrhunderts gelang das schließlich. Zu DDR-Zeiten befand man sich hier auf einem VEG, Volkseigenen Gut, im Anschluss war das Gebiet kurzzeitig ein Möbellager und Lager der Zivilverteidigung. Nach der Wende ging das Kloster an die Treuhand, 1998 konnte die Stadt Zeitz die Gebäude schließlich zurückkaufen. Zunächst war dann der ‚Verein zur Förderung der ländlichen Region Sachsen-Anhalt-Süd‘ vor Ort aktiv, welcher durch Projekte mit Langzeitarbeitslosen eine kulturelle Belebung erreichen wollte. Vieles von dem heute beräumten Platz ging auf diese Bestrebungen zurück. Als die Fördergelder ausliefen, musste der Verein seine Arbeit allerdings beenden. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort wurden die heutigen Vereinsmitglieder auf Kloster Posa aufmerksam.

Zur Finanzierung

Aller Anfang ist…

Problematisch bei dem Vorgehen ist, dass es sich im Grunde um die Investition von Eigenkapital in Fremdkapital handelt. „Das ist natürlich eine ungünstige Situation und geht nur in begrenztem Maße. Meist beschränkt sich dies auf den Wohnraum, denn wenn man ein Gebäude mit 1.000m² Grundfläche in Umnutzung bringen will, hat keiner Geld übrig, um dort auch noch zu investieren.“ An dieser Stelle muss die gemeinnützige Institution tätig werden um Gelder zu akquirieren. Allerdings kann der Verein keine Kredite aufnehmen, insofern er nicht Eigentümer des Geländes ist. Dadurch ist das Grundbuch nicht belast- und keine Sicherheit nachweisbar, was diese Fördermöglichkeit ausschließt. Zum anderen erhält man bei passenden Bundesprogrammen keine hundertprozentige Förderung, sondern muss einen gewissen Eigenanteil mitbringen. Die Stadt als Eigentümer kann einen solchen aber kaum leisten. Aus diesen Gründen ist die Finanzierung nicht ganz einfach und größere Investitionen in die Gebäudesubstanz an sich kompliziert zu erreichen. Primär ist der Fokus deshalb auf die inhaltliche Arbeit gerichtet, für deren Fördermittel der Eigenanteil von den Vereinsmitgliedern selbst gestemmt wird.

Die Zusammenarbeit mit der Stadt ist recht ambivalent. Es gibt viele Fürsprecher wie Oberbürgermeister Christian Thieme, andere sehen die Nutzung durch den Verein negativer. Die eingeschränkten Mittel der Stadt und der Umgang mit dem ganzen Projekt lassen sich letztendlich nicht komplett von der stadtgeschichtlichen Vergangenheit lösen, wie sich Philipp Baumgarten an die Anfänge erinnert:

Widerstände

Philipp Baumgarten vom Kloster Posa

Vernetzung ist das A und O

Der Verein ‚Kultur- und Bildungsstätte Kloster Posa‘ hat derzeit 15 Mitglieder. Acht Erwachsene und sechs Kinder wohnen in den drei Wohnhäusern der Klosteranlage. Die Kinder sind im Moment keine Mitglieder im Verein, das soll sich aber vielleicht bald ändern. Die primäre Arbeit des Vereins geschieht ehrenamtlich, die Mitglieder gehen ihren Jobs in und außerhalb von Zeitz nach. Nur zwei Posaer sind selbstständig und teilweise über Projekte vom Kloster als Minijob involviert. Was die Klosterbewohner bewog, hier ihre Gemeinschaft zu bilden und worin die kollektiven Bestrebungen liegen, fasst der bildende Künstler zusammen:

Motivation

Philipp Baumgarten selbst ist in Zeitz sehr gut vernetzt. Von verschiedener Seite fällt sein Name als Akteur in der Stadt. Neben der Belebung alter Gebäude und Freiräume sowie der damit verbundenen Ansiedlung von Kreativwirtschaft möchte der 32-jährige wieder vermehrt das Interesse junger Menschen für die Stadt wecken.

Junge Leute für Zeitz

Eine dieser jungen Kreativen ist Lea, die gerade für ein Praktikum beim Kloster mitarbeitet. Die Kunstmanagement-Studentin aus Düsseldorf erfuhr durch die Berichterstattung zu Philipps Arbeit von der Stadt.

Wie Lea zum Kloster kam

Lea arbeitet zurzeit mit

Die 24-jährige wurde von den Mitgliedern des Vereins wärmstens aufgenommen. Auch in der Stadt ist sie bereits gut angekommen. Ein solches Ausmaß an leerstehender historischer Bausubstanz kannte sie bisher nicht.

Potenziale der Stadt

Ihr Traum ist eine Art Kulturhaus-Hotel-Fusion, bei der man wirtschaftliche Aspekte mit kreativer Freiheit verbindet. Sie möchte im Grunde ein Konzept aus dem Nichts aufbauen, wofür sich eine alte Industrieruine anbieten würde. Zunächst wird sie einen Monat in Zeitz bleiben und dann ihren Master in Düsseldorf fortsetzen. Sie hat sich aber bereits jetzt fest vorgenommen, spätestens in den nächsten Ferien wiederzukommen.

Sichtbare Erfolge

Philipp Baumgarten hat vor zwei Jahren zusammen mit der Kunst-Kulturstiftung des Landes das Projekt Open Space Zeitz gestartet. Hierbei geht es um eine Betrachtung von Leerstand aus künstlerischer Perspektive. Auch das Kloster sollte dadurch als Ort der Künste mehr in die Öffentlichkeit rücken. Für die Initiative mietete der bildende Künstler in den letzten zwei Jahren hauptsächlich in den Sommermonaten verschiedene Häuser temporär an, um Veranstaltungen und Ausstellungen durchzuführen. Der Zuspruch war groß, auch von Zeitzern, die diese Räume, welche eigentlich als vergessen galten, neu entdecken. „Viele kommen um die Häuser zu besuchen, mal wieder reinzuschauen. Es gibt ein großes Interesse an der baulichen Struktur der Stadt, die ja zu 80% von Denkmälern geprägt ist, gerade im Innenstadtbereich. Mir ging es darum, dass sich dieses Potenzial verstetigt und etwas Nachhaltiges geschaffen wird.“

Das Erdgeschoss der ehemaligen Bibliothek

Ein Teil des Konzepts ist die ehemalige Stadtbibliothek in der Rahnestraße. Hier sind die Bedingungen gut, da der Eigentümer ein großes Interesse daran hat, dass das Haus nachgenutzt wird. „Das ist natürlich ein kleines Leuchtturmprojekt in der Rahnestraße, die als Straße der Ruinen verschrien ist, weil dort so viele Häuser leer stehen. Es ist einfach toll, im Innenstadtbereich ein Haus zu haben, wo abends Licht brennt. Dass das Haus jetzt dauerhaft angemietet ist, hat sich aus dem Projekt ergeben. Es soll ein Hafen für junge Leute sein, die Interesse haben, hierherzukommen. Das war die letzten Jahre de facto nicht möglich. Es tat mir so leid, immer wieder Leute kommen und gehen zu sehen, die nicht so richtig aufgefangen werden konnten. Das ist jetzt erstmals möglich.“

Die ehemalige Bibliothek ist ein imposantes Gebäude

Als innenstadtnahes Gründer- und Zentrum der Kreativen stößt nicht nur dieses Gebäude auf großes Interesse. Bislang ausgebaute Ateliers im ersten Obergeschoss sind bereits komplett vermietet. Offiziell ist zurzeit daneben nur das Erdgeschoss in Nutzung, welches kollektiven Zwecken dient. Bei den anderen Obergeschossen fehlen noch die installativen Voraussetzungen wie Strom und Wasser, doch diese sollen folgen und eine komplette Vermietung des Gebäudes in Zukunft ermöglichen. Hier soll das Potenzial der Kreativen in der Zeitzer Innenstadt manifestiert werden. Folglich sieht der 32-jährige auch das Projekt der ehemaligen Nudelfabrik sehr positiv:

Zur Nudelfabrik

Wie geht es weiter?

Für den Künstler treffen in Zeitz momentan zwei Umstände aufeinander: Zum einen kommt gerade viel Interesse aus Leipzig, die Nachfrage erhöht sich. Auf der anderen Seite erscheint die Abrisswelle derzeit weniger groß. Allerdings schränkt er auch ein, dass noch immer kulturhistorisch bedeutende Häuser weggerissen werden. Hier würde er sich ein kurzfristigeres Umdenken anstatt der strikten Folge aktueller Interpretationen des Stadtentwicklungskonzeptes wünschen. Teilweise wird demnach noch immer abgerissen, obwohl Interesse an Objekten besteht. Ähnlich wie Reiner Eckel vermisst Philipp Baumgarten darüber hinaus eine gemeinsame Vision der Stadt:

„Was wollen wir für eine Stadt sein? Was sind wir für eine Stadt? Was waren wir für eine Stadt? Was sind wir nicht für eine Stadt?“

Wenn man es schafft, die Menschen der Stadt für ein gemeinsames Ziel zu sensibilisieren, dann könnten die positiven Außenumstände für die Entwicklung genutzt werden und Zeitz deutlichen Aufschwung geben. „Ich denke, Kleinstädte wie Zeitz werden nie das Riesenvermögen haben, in absehbarer Zeit in solche Aktionen oder Akteure wie wir es sind im Kloster oder mit der Stadtbibliothek zu investieren. Es sollte vor allem darum gehen, dass man den positiven Umstand im Blick behält, dass dadurch Leute nach Zeitz gezogen werden, im Sinne der Kreativwirtschaft natürlich auch die lokale Wirtschaft gestärkt wird. Hier sollte man keine Steine in den Weg legen, sondern eine engagierte Bürgerschaft aufbauen. Ich glaube, das ist das, was die Städte brauchen, nämlich Initiative von unten. Diese Entwicklung sehe ich im Moment kommen und sehe auch das Wohlwollen von einzelnen Leuten der Stadtverwaltung. Ich hoffe einfach, wenn man diesen Trend weiterspinnt für die nächsten fünf Jahre, dass sich das auf jeden Fall in einer guten Entwicklung resümieren lässt.“