Schutz

Wenn man an alte, historisch gewachsene und architektonisch besondere Gebäude denkt, dann kommen einem schnell Denkmalschutz und Stadtsanierung als Behörden in den Sinn. Warum verfallen derart imposante Gebäude, gibt es keine Gelder, diese zu restaurieren und erhalten? Ähnliche Probleme hat natürlich nicht nur Zeitz. Allerdings gibt es hier sehr viel solcher Bausubstanz, was gleichermaßen an- und unansehnlich sein kann. Insofern eine Stadt hauptsächlich aus Altbaubestand verschiedener Zeitepochen besteht, ist die finanzielle Herausforderung der Gesamtsanierung umso größer. Ich sprach mit Herrn Mansfeld und Frau Kretzschmar von der unteren Denkmalbehörde der Stadt Zeitz über die Herausforderungen und Möglichkeiten, die sich im Umgang mit denkmalgeschützten Gebäuden ergeben.

Frau Kretzschmar und Herr Mansfeld

Die untere Denkmalschutzbehörde ist zunächst eine reine Genehmigungsbehörde ohne eigenen Fördertopf und dabei dem Fachbereich Baurecht zugeordnet. Die Anforderungen für den Umbau von Objekten werden gemeinsam mit dem Landesdenkmalamt in Halle festgelegt. Direkten Zugriff auf Fördermittel haben andere Fachbereiche der Stadt wie die Stadtsanierung über den ‚Städtebaulichen Denkmalschutz‘ und die Stadtplanung/Stadtentwicklung über Gelder aus dem ‚Programm Stadtumbau‘. Das sind im Wesentlichen die zwei großen Töpfe. Außerdem sind steuerliche Abschreibungen für die Eigentümer möglich, wofür die Bescheinigung der unteren Denkmalschutzbehörde nötig ist. Diese bekommt man erst, wenn die Maßnahme umgesetzt ist.

Industrie der Vergangenheit

Die ehemaligen Volkseigenen Betriebe sind und waren eine große Altlast für den Denkmalschutz. Einige Gebäude stehen zwar weiterhin, dabei handelt es sich in der Regel aber nur noch um Rudimente oder Bauwerke in sehr schlechtem Zustand. In Zeitz gab es mit Zekiwa (Zeitzer Kinderwagen Industrie) Europas größte Kinderwagenfabrik. Die Marke existiert noch, allerdings findet die Produktion im Ausland statt und hat nichts mehr mit der Stadt zu tun. Die Zemag (Zeitzer Eisengießerei und Maschinenbau AG) stellte Großgeräte wie Bagger und Kräne für den Tagebau her. Die ursprüngliche Firma gibt es nicht mehr, das Areal wird jetzt wieder durch die Eisengießerei Guss GmbH genutzt. Das Zitza Werk vertrieb europaweit Haarwäsche und Kosmetikprodukte und ist heute komplett geschlossen und in schlechtem Zustand. Die Zetti Schokoladen- und Zuckerwaren haben noch ein Werkgelände in Zeitz, dieses gehört aber inzwischen zu Goldeck in Leipzig und ist nicht mehr eigenständig. Das alte Areal verfällt zusehends. Die Oettler Brauerei und die Pianounion sind mittlerweile abgerissen. Es gibt hingegen auch Positivbeispiele. Die ehemalige Lederwarenproduktion ist inzwischen ein denkmalgeschütztes und saniertes Haus mit der vollständigen Nutzung durch Arztpraxen und Physiotherapie. Außerdem wurde zwar ein Teil der Zekiwa Werke abgerissen, das verbliebene Areal gehört dafür inzwischen der Stadt und wird für die Nutzung als Stadtarchiv saniert. Weiterhin wird für die Nudelfabrik ein überzeugender Ansatz der Weiternutzung verfolgt.

Die Objekte stehen für viel Potenzial und deuten auf eine reiche Baugeschichte hin. Gleichzeitig sind sie eine große Herausforderung für die Stadt. Frau Kretzschmar vom Denkmalschutz fasst das Zustandekommen schlüssig zusammen:

„Die Industriestandorte wurden in der Regel um die Jahrhundertwende errichtet. Während der DDR-Zeit kam es vielfach zu Umbauten. Nach der Wende wurden diese Werke von der Treuhand abgewickelt, was mit einem großen Verlust an Arbeitsplätzen einherging. Die Betriebe hatten modernste Anlagen, welche Stück für Stück ausgeräumt wurden. Dann hatten wir plötzlich große leere Gebäude ohne Nutzung dastehen. Der Vandalismus ließ nicht lange auf sich warten, es kamen Metalldiebe. Über Jahre kam es zum Verfall, kaputte Dächer ließen Wasser eindringen, was zu großen Bauschäden führte. Hinzu kamen andere Schwierigkeiten wie verschiedene Eigentümer, die keine Instandsetzung vorgenommen haben und kein wirkliches Interesse am Objekt hatten. Das war in der Mehrzahl der Fälle so und führte zum Verfall. Irgendwann wurden die Bauwerke zu einer Gefahr für die Allgemeinheit und der Weg zum Abriss war nicht weit. Damit kämpft Zeitz bis heute.“

Auch andere Städte haben dieses Problem. Sobald Decken zu starke Beschädigungen aufweisen, sind Häuser kaum noch zu sanieren. „Oftmals ist dann nur noch der Abriss möglich. Das tut dem Denkmalschutz auch weh“, fügt Christian Mansfeld, Leiter der Denkmalschutzbehörde, an. Dabei sind die Entwicklungen kompliziert. Es gab Fälle, da konnten Erben schlichtweg nichts mit den Objekten anfangen. Bei anderen wurden Teile an verschiedene Interessenten verkauft. Beim Zitzawerk wurden die modernen Anlagen ausgebaut und das Gebäude ist anschließend verfallen. Die Pianounion sollte eigentlich für eine neue Nutzung abgerissen werden, entstanden ist bis jetzt jedoch nichts außer einer Brache. Auch Spekulanten waren in der Vergangenheit häufiger beteiligt. Wenn über 20 Jahre lang Eigentümer wechseln und Pläne nicht umgesetzt werden, dann summieren sich die baulichen Schäden an den Objekten schlichtweg enorm.

Es besteht Handlungsbedarf

Um diesen Problemen zu begegnen, stehen der Behörde verschiedene Instrumentarien zur Verfügung. Sie schreibt Eigentümer an und bringt Verfahren auf den Weg. Will der Inhaber notwendige Instandsetzungen nicht selbst machen, kann die Behörde den Vorgang übernehmen. Das nennt sich Ersatzvornahme und wird dem Besitzer in Rechnung gestellt. Oftmals ist es allerdings schwierig, das Geld wirklich zurückzubekommen. Den Denkmalschützern steht nur ein begrenztes Budget zur Verfügung, weshalb man sich auf einige wenige Objekte fokussieren muss. Wenn allerdings beispielsweise ein Dach umfassend zerstört ist, dann ist das für die Stadt kaum stemmbar. Hier wird bei Objekten, die nicht der Stadt gehören, immer der Dialog mit den Eigentümern gesucht, da man auf dessen Handeln angewiesen ist. Falls über lange Zeit nichts passiert, kann versucht werden, das Gebäude in die Zwangsversteigerung zu geben. Dafür bedarf es wiederum an Interessenten. Christian Mansfeld spürt trotz vieler Hindernisse allerdings auch eine Veränderung in der Stadt:

„In letzter Zeit merken wir, dass bestimmte Großstädte in der Umgebung nach außen expandieren und durchaus Anfragen reinkommen. Das ist nicht nur Leipzig, sondern auch der thüringische Raum. Bisher kann man zwar nicht von der großen Masse sprechen, aber die Bestrebungen sind vorhanden. Um dem Leerstand zu begegnen hat man als Denkmalschutzbehörde natürlich nur begrenzte Mittel, da es nicht unsere Hauptaufgabe ist. Aber wir fassen unsere Tätigkeiten etwas weiter auf, weil gute Prophylaxe im Denkmalschutz ein sinnvoller Weg ist.“

Dann kann es auch vorkommen, dass man Leute aquiriert und bei vorhandenem Interesse die Stadt zeigt. Hilfreich ist hier die intensive Zusammenarbeit mit der Leipziger Denkmalstiftung. Ein konkretes Projekt ist derzeit in der Rahnestraße geplant, um die Straße wieder mit Leben zu füllen. Sie gilt als große Problemzone in der Stadt. Wenn die Denkmalschützer hier nicht regelmäßig einschreiten würden, wären die Gebäude in einem viel schlechteren Zustand.

Daneben gibt es ein Konzept zur niedrigschwelligen Nutzung von mehreren leeren Häusern der Scharrenstraße. Hier wird versucht, Menschen aus dem kreativen Bereich zu binden. Durch die Bewohner von Kloster Posa kommen solche in die Innenstadt. Der dort ansässige Verein initiiert nicht nur Projekte, sondern versucht vielmehr Künstler langfristig in die Innenstadt zu bringen und damit dem Leerstand zu begegnen. Andere Programme in dieser Richtung laufen über die Wirtschaftsförderung. Hier konnte beispielsweise zur Landesgartenschau 2004 das ehemalige Grundstück der Wäscheunion revitalisiert werden. Die alte Bausubstanz wurde komplett saniert und wird heute unter anderem für Veranstaltungen der Stadt genutzt. Seit der Wende herrschte auf dem Gebiet komplettes Chaos.

Das ehemalige Gelände der Wäscheunion

Die Denkmalschützer sind immer bestrebt, wertvolle Gebäude zu sichern. Um die Innenstadt zu beleben arbeitet die Stadtsanierung eng mit der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft zusammen. Nicht immer lief diese Zusammenarbeit reibungslos, aber seit einigen Jahren funktioniert das Zusammenwirken sehr gut. Das Volumen an Objekten ist in den vergangenen Jahrzehnten durch die Entwicklungen zwar geschrumpft, aber dennoch ist viel getan worden. Die Innenstadt ist inzwischen grundsaniert und lockt Leute an. Auf dem Neumarkt konnten zwei Häuser, die vor dem Abriss standen, an einen Arzt vermittelt werden. Eines ist bereits saniert, das andere wird noch instandgesetzt. Der Neumarkt ist überwiegend wiederhergestellt, die Voigtsstraße ist ein weiteres Positivbeispiel, wo vormals Ruinen standen. Hier konnten potenzielle Nutzer bei der Konzeptionierung mitentscheiden. Das Vorgehen ist aufgegangen und wurde überzeugend umgesetzt. Der Voigtplatz bildet eine genauso schöne Wohnanlage wie die Alte Mälzerei. In einem Objekt am Altmarkt soll zudem ein Craftbeerausschank entstehen. „Es ist definitiv viel Gutes gelaufen, worauf man mit einem gewissen Stolz blickt. Es gab eben nicht nur Abriss, sondern auch sehr viel Sanierung und Restauration“, wie Christian Mansfeld nicht zu Unrecht anmerkt.

Hier soll ein Craftbeerausschank entstehen
Die Alte Mälzerei wurde inzwischen komplett saniert
Der Voigtplatz ist umfangreich wiederhergestellt worden
Hier entsteht ein Rossmann
Der Leerstand wird teilweise mit Schaufensterdekoration kaschiert
Beide Häuser sind verkauft und das rechte bereits saniert
In der Rahnestraße 7 soll ein Mehrgenerationenhaus entstehen
Das Haus ist ein Problemfall, bisher gibt es keine Einigung mit dem Eigentümer
Das Objekt
Das Objekt gehört einer Firma, die inzwischen insolvent und deren Chef nicht auffindbar bzw. kontaktierbar ist
Das Franziskanerkloster wurde bereits mit Fördermitteln saniert
In der Scharrenstraße ist ein Projekt mit Kreativen geplant
Auch hier wurden Fördermittel genutzt

„Warum soll man das erhalten?“

Dennoch spürt man die Folgen der Deindustrialisierung bis heute. Frau Kretzschmar arbeitet seit vielen Jahren beim Denkmalschutz in Zeitz und stellt die Arbeit in einen klaren Zusammenhang mit den Struktureinbrüchen.

„Die Bevölkerungszahl bestimmt letztendlich den Denkmalschutz. Wenn in den Häusern niemand mehr wohnt, kann man sie nicht halten. Das Industriesterben hat zu erheblichem Wegzug geführt. Auf einen Schlag waren Arbeitsplätze und gut ausgebildete Leute weg und es herrschte großer Leerstand. Dieses Problem sieht man bis heute.“

Dabei sei das Denken teilweise auch gegenwärtig noch so, dass man unglücklich über die Rolle nach der Wende ist. Eine Herausforderung besteht zudem darin, die Jugend in der Stadt zu halten. Weil es wenige Ausbildungsplätze gibt, verlassen junge Menschen die Stadt und kommen kaum wieder. Die Altersstruktur ist konflikthaltig, es gibt wenige Junge und viele Alte. Allerdings bemerkt man in diesen Bereichen inzwischen einen Wandel. Auf dem Gelände des ehemaligen Hydrierwerks entstanden wieder viele kleine Betriebe und etwa 1.000 Arbeitsplätze. Weitere Industrie wie Mibrag und Südzucker haben sich angesiedelt, in schrittweisen Etappen erwacht das Industrieleben erneut in Zeitz.

Das Verhältnis zu den alten Gebäuden ist in der Bevölkerung zwiegespalten. „Teilweise fehlt das Verständnis für den Denkmalschutz, weil die Menschen mit persönlichem Bezug nicht mehr da sind. ‚Warum soll man das erhalten? Wir brauchen das doch nicht, das sieht schlimm aus.‘ Aber es gibt natürlich auch andere, die sagen, ‚das muss man unbedingt erhalten‘.“ Christian Mansfeld weist auf einige Besonderheiten im Stadtbild hin: Die Wegeführung aus dem Mittelalter, drei parallele Marktplätze, Teile der Stadtmauer stehen auch noch. „Die Stadt hat einiges zu bieten und so langsam kommt die Wertschätzung dafür wieder. Es ist ja doch nicht alles schlecht, eigentlich haben wir eine schöne Stadt. Aber lange Zeit war das Denken nicht so.“ Alles hing miteinander zusammen: Deindustrialisierung, Leerstand, schlechte Stimmung, keine Zukunftsperspektive. Überspitzt gesagt mussten erst Leute von außerhalb kommen und den Zeitzern sagen, wie lebenswert ihre Stadt ist. Die untere Denkmalschutzbehörde ist natürlich nicht bestrebt, Gebäude abzureißen. Oftmals ist es aber für die Gefahrenabwehr schlicht notwendig, da am Ende die Stadt verantwortlich ist, wenn jemandem eine Dachziegel auf den Kopf fällt. So konnten einige Areale trotz Bemühungen nicht erhalten werden. Die Denkmalschützer gehen aber davon aus, dass die große Abrisswelle jetzt vorbei ist. „Was jetzt kommt, sind hoffentlich nur noch Sanierungen. Viele Zeitzer sind der Meinung, dass die Talsohle überwunden ist.“ Die Altstadt wird wieder lebendiger, der Leerstand bei Geschäften ist noch immer deutlich, aber neue Ansiedlungen wie ein Rossmann, welcher aktuell errichtet wird, geben Hoffnung. Profitieren will die Stadt besonders vom Boom in Leipzig. Die nahe Lage und günstigen Mietpreise sind treffende Argumente. „Aber dafür müssen die Leute erstmal wissen, dass es Zeitz gibt.“

„Auch die jüngeren Menschen, welche beispielsweise rund um das Kloster Posa in die Stadt kommen, vermitteln das Denken ‚Es reicht jetzt mit Abriss und schlechtem Image‘. Die bringen ebenfalls wieder junge Leute hierher. Das ist die Zukunft der Stadt – Leute, die wirklich wollen. Es gibt Zuzug durch Arbeit von außerhalb. Die Menschen suchen Häuser und preiswerten Wohnraum.“ Frau Kretzschmar ist optimistisch, dass die Stadt sich bei der richtigen Positionierung wieder so attraktiv machen kann, dass der Leerstand gefüllt wird. Bis dahin gilt es, die bestehende historische Bausubstanz so weit wie möglich zu erhalten. Denn eine Plattenbauwohnung suchen die wenigsten.